3. Dezember 2019
Andrea ist in der Früh tapfer und will von einer Bäckerei frische Weckerl holen. Wir haben dort vorgestern schon eingekauft und es war das bisher beste Brot, das wir auf der Reise hatten. Gestern war Ruhetag und wir haben gesehen, dass ab 8:00 geöffnet ist. Leider wird das Brot aber erst um halb zehn geliefert. Die ganze Mühe war umsonst und wir essen wieder einmal die langweiligen Weißbrotsemmeln.
Dann starten wir Richtung Strand. Unsere Route hätten wir über die Carretera 175 geplant, keine allzu große Etappe. Wir stauen uns ein wenig durch den Stadtverkehr und sind froh, als wir endlich die letzen Vororte hinter uns gelassen haben.
Nach einer guten Stunde Fahrzeit geht plötzlich nichts mehr weiter. Wir fahren in guter Motorradtradition an den stehenden Fahrzeugen vorbei, bis wir zur Polizei kommen. Hannes fragt nach was los ist und ob wir durchkönnen. Leider nein! Laut Polizei gibt es eine Straßensperre von Bus- oder LKW-Fahrern (das haben wir leider nicht genau verstanden) und wahrscheinlich ist heute den ganzen Tag kein Durchkommen möglich. Sehr schlecht für uns. Der Polizist zeigt uns die Ausweichroute zur Carretera 131 und wir schauen uns die Optionen auf Google Maps selbst an. Tatsächlich gibt es keine andere sinnvolle Variante zum Pazifik, als über die 131. Allerdings verspricht uns Google noch gut 7h Fahrzeit. Wir beschließen soweit als möglich zu fahren und notfalls ein Quartier dazwischen zu suchen.
Die Verbindungsstraße zur 131er wird bald zur Staubstraße, das kann ja heiter werden. Wir sind mitten am Land und kommen durch winzige Dörfer. Wir wirken hier wie ein Fremdkörper aus einer anderen Dimension mit unserem modernen Motorrad. Aber alle Leute, denen wir begegnen sind freundlich und grüßen uns.
Auf der 131er wissen wir nach einigen Kilometern wieso wir 7h brauchen werden. Die Straße führt wunderschön durch die Berge und ist eine endlose Aneinanderreihung von Kurven. Leider ist die Straße in einem eher schlechtem Zustand. Immer wieder gibt es tiefe Schlaglöcher, oder der Asphalt ist aufgerissen. Außerdem kommen wir dauernd an Marien Prozessionen vorbei. Die aus langsam fahrenden LKWs mit Menschen auf der Ladefläche und geschmückten Autos bestehen. Manchmal läuft auch noch jemand mit einer Fackel neben der Fahrbahn, oder die Pilger sind als Radfahrer unterwegs. Das Ganze wird mit einem ständigen Hupkonzert untermalt. An zügiges Fahren ist also überhaupt nicht zu denken.
Diese Prozessionen sehen wir auch noch in den kommenden Tagen und wir waren uns über die Bedeutung nicht im klaren. Nach ein wenig Recherche sind diese Pilgerfahrten und Prozessionen aber der Nationalheiligen, der Jungfrau von Guadalupe gewidmet. Am 12. Dezember wird die Nationalheilige von Mexiko gefeiert.
Mitten in den Bergen treffen wir zum ersten Mal auf eine Seilsperre. Davon gehört, haben wir schon, bisher haben wir aber noch keine gesehen. Bei gespanntem Seil muss man stehenbleiben und eine Gebührt zahlen, bevor die Straße zur Weiterfahrt freigegeben wird. Diesesmal haben wir aber Glück. Vor uns fährt ein Colectivo und die Schnur wird gesenkt. Wir nutzen das aus und fahren gleich mit durch die Sperre.
Auf den letzten 70km vor der Küste wird die Straße immer schlechter. Es muss hier massive Unwetter mit vielen Murenabgängen gegeben haben. In jeder dritten Kurve ist ein Teil der Straße weggespült und der Aspahlt hat Riesenlöcher. Es heißt höllisch aufpassen.
Mit wenigen Pausen erreichen wir um 18h, als es Dunkel wird, Puerto Escondido am Meer. Wir beraten uns kurz und beschließen ausnahmsweise in der Dämmerung weiterzufahren. Wir fixieren schnell unser Zimmer und fahren. Am Meer entlang ist die Straße in sehr gutem Zustand und wir kommen zum Glück sicher bei unserem Zimmer an. Das war heute definitiv eine Gewalttour, die wir so nicht wiederholen wollen.
Im Dunkeln suchen wir uns am Strand noch ein Lokal zum Abendessen. Hier ist es vorbei mit der angenehmen Abkühlung in der Nacht. Es ist richtig schwül und wir werden heute in unserem Zimmer ohne Klimaanlage in der Nacht wohl oder übel schwitzen. Ein wenig Abhilfe schafft der Ventilator, den wir uns vors Bett stellen. Einzig das Geräusch ist nervtötend, es klingt ein wenig wie eine Propellermaschine kurz vor dem Abheben. Aber einen Tod müssen wir sterben.
4. Dezember 2019
Viel haben wir in der Nacht nicht geschlafen. Aber der Strand ist sehr schön und entschädigt uns für die Nacht und für die mühsame Fahrt gestern. Nach einer Weile merken wir, dass hier auch ein paar FKKler unterwegs sind. Google verrät uns, dass wir am einzigen offiziell genehmigten FKK Strand in Mexiko gelandet sind.
Es gibt heute ordentliche Wellen und das Wasser ist angenehm warm, ideal zum Baden. Wir wechseln unseren Standort nur zwischen Wasser, Handtuch und Bar. Am Nachmittag versuchen sich sogar ein paar Surfer im Meer. Trotz einiger Lokale und der kleineren Hotels geht es am Strand sehr relaxed zu. Wir genießen diesen Faulenzertag und beschließen ihn in der Dunkelheit mit zwei ordentlichen Margaritas.
5. Dezember 2019
Die Nacht war wieder ordentlich warm und wir haben wieder nicht gut geschlafen. Unser Beschluss ist schnell getroffen, das nächste Quartier muss eine Klimaanlage haben. Beim Einpacken hat es bereits 28 Grad. Nur nicht zuviel bewegen in den Motorradsachen, sonst schwitzen wir schon, bevor wir überhaupt gestartet sind.
Die Straße schlängelt sich hinter dem Meer durch üppigen Dschungel. Der Fahrtwind kühlt angenehm und wir cruisen genüsslich durch die Natur. Ein kurzes Stück führt durch den Nationalpark Huatulco und hier bereuen wir ein wenig, dass wir wegen unserer Weihnachtsbuchung einen Zeitplan haben. Sonst wären wir noch ein paar Tage am Pazifik geblieben und hätten uns den Nationalpark angesehen.
In einem kleinen Nest machen wir Mittagspause. Wir sind wieder einmal die einzigen im Lokal. Dafür haben wir die Hängematte für uns und Hannes nutzt sie gleich für ein kleines Schläfchen.
Im Landesinneren wird der Seitenwind immer stärker, ähnlich wie wir es ein paarmal in den USA hatten. Dann sehen wir die ersten Windräder links und rechts neben der Straße, es werden immer mehr. Wir fahren durch den größten Windpark, den wir je irgendwo gesehen haben. Sicher mehrere hundert Windräder, soweit das Auge reicht.
Heute müssen wir einen Zwischenstopp einlegen weil das eigentliche Ziel San Cristobal de las Casas zu weit entfernt für einen Fahrtag ist. Viel Auswahl an Ortschaften haben wir nicht, hier gibt es fast überhaupt keine Hotels. In Santo Domingo de Zanatepec halten wir und fragen ob es noch ein freies Zimmer gibt. Ja gibt es, und es hat Klimaanlage. Also schlagen wir zu, obwohl das Zimmer einen Wasserschaden hatte und eher als schlicht zu bezeichnen ist. Dabei schmeicheln wir ihm noch. Außer dem Bett gibt es nur ein einziges Möbelstück, einen Sessel. Das Motorrad parkt ähnlich wie in Motels, direkt vor der Zimmertür. Wir fragen ob es sicher ist und erhalten als lapidare Antwort, heute schon, weil sehr viele Polizisten in der Anlage übernachten. Tatsächlich stehen mehr als zehn Polizeiautos der Federales herum und wir sehen immer wieder Polizei im Hotel. Ob uns das beruhigen soll, wissen wir nicht so recht.
In einem Geschäft besorgen wir uns noch einen kleinen Snack als Abendessen. So sehen wir auch ein wenig von der Ortschaft. Hierher verirren sich nicht viele Gringos, das steht fest.